Rund ein Jahr nach Eröffnung der Nebenstelle der Frauenberatungsstelle in Dormagen haben 80 weibliche Opfer das Angebot genutzt. Die restlichen 320, so hoch wird die Dunkelziffer geschätzt, kamen nicht und leiden vermutlich immer noch unter Gewalt, die ihnen von Männern angetan wird.
Schlagen, Würgen, Vergewaltigen, psychischer Terror: Gewalt hat viele Gesichter und meist findet sie hinter verschlossenen Türen statt. Fleur König, systemische Beraterin bei der Frauenberatungsstelle „Frauen helfen Frauen“ (FhF) Neuss, hat schon viele Leidensgeschichten gehört. Gerade am Montag hat sie eine Frau in der Sprechstunde betreut, die so verprügelt wurde, dass es vermutlich zu einer Anklage wegen „versuchten Totschlags“ kommt. So ein Vorfall haut selbst die erfahrene Fachfrau aus den Schuhen. König steht dann ein Team zur besseren Bewältigung zur Seite. Besonders schlimm fand sie auch den Vorfall, bei dem ein Mann seine Frau mit einem Handtuch, eng gewickelt und mit einem Stück Seife gespickt, verprügelt hat. Kaum eine Woche vergeht, in der sich Frauen nicht an die Frauenberatung wenden.
Allein in Dormagen wird die Zahl von weiblichen Gewaltopfern auf 400 jährlich geschätzt. Besonders Frauen aus Stadtmitte, Horrem und Hackenbroich leben gefährlich. 2016 waren die Übergriffe in diesen Stadtteilen am höchsten. Aber auch beschauliche Orte wie Delhoven, Stürzelberg oder Zons haben Gewaltvorfälle. „Es betrifft wirklich alle Schichten und fast jedes Alter. Im vorigen Jahr hatten wir Frauen im Alter von 21 bis 74 Jahren in unseren Sprechstunden“, erklärt König. Was viele Frauen nicht wissen: Heute muss der Täter gehen und zwar für zehn Tage, sofern die Frau, als das Opfer, die Polizei ruft. In dieser Zeit kann die Frau nach dem Trauma erst mal zur Ruhe kommen und sich Hilfe suchen. Frauen, die unter Gewalt leiden, empfiehlt König einen Notfallkoffer bereitzuhalten, in dem alle wichtigen Dinge wie Personalausweis, Führerschein, die Bankkarte und ein paar wenige Anziehsachen sind, damit sie im Notfall direkt flüchten können und nicht noch erst ihre sieben Sachen zusammensuchen müssen. Und sie verrät noch eine traurige Gewissheit: „Gewalt potenziert sich. Wer einmal zuschlägt wird das wieder tun.“ Nachbarn rät sie: „Wer mitbekommt, dass in seinem Umfeld eine Frau geschlagen wird, sollte sich nicht aktiv einmischen, aber direkt die Polizei anrufen.“
Wer sexuell belästigt, vergewaltigt oder gestalkt wurde, Probleme mit dem Partner hat, sich trennen möchte oder unter einer depressiven Verstimmung leidet, kann sich unter Tel. 02131/27 13 78 an den Verein wenden. Für Frauen aus Dormagen wird dann montags ein Gesprächstermin vereinbart. Dort, im Haus an der Kölner Straße 30, erwartet sie dann Fleur König und hilft weiter. Die Beratung ist kostenlos. Frauen, die nicht warten möchten, können auch die offenen Sprechstunden montags und donnerstags jeweils von 11 bis 13 Uhr in Neuss an der Marktstraße 7 nutzen. Wer die Arbeit der Frauenberatungsstelle FhF Neuss unterstützen möchten, kann für 35 Euro Mitglied werden. Mehr Infos zur Arbeit und zum Angebot gibt es im Netz auf www.fbst-ne.de. -Andrea Lemke