Wegen der großen Herausforderungen in der Hochphase der Corona-Krise hatte Erik Lierenfeld darum gebeten, seine Homestory als Kandidat für das Amt des Bürgermeisters – als Letzter der fünf Anwärter – später zu machen. Jetzt war es so weit und es gab leckeren Nachtisch.
Wer hätte das gedacht? Der passionierte Borussia Dortmund-Fan kocht regelmäßig („Meine Frau Daniela und ich versuchen uns immer abzuwechseln“) und ist für eine besondere Variante der Crème brûlée zuständig. Ich darf diese bei unserem Gespräch probieren und muss sagen: sehr lecker! Auch Einkaufen geht der amtierende Bürgermeister immer mal wieder selber. Überhaupt: „Sobald ich Zuhause bin, bin ich zu 100 Prozent der private Erik Lierenfeld.“ Davon, dass die Fußball-Bundesliga nun mit Geisterspielen weiter macht, hält der Familienmensch gar nichts: „Da geht es nur noch ums Geldverdienen. Ich wäre für einen Saisonabbruch gewesen.“ Zur Liebe in schwarz und gelb kam Lierenfeld durch einen seiner Brüder. Der feierte 1997 seinen Geburtstag, es lief das Champions League-Finale zwischen Dortmund und Juventus Turin, das Lars Ricken mit seinem Tor für den BVB entschied. Von da an war der heute 33-Jährige, der aber nur selten ins Stadion geht, infiziert.
Erich-Kästner-Grundschule, Realschule am Sportpark und Bettina-von-Arnim-Gymnasium – Nach dem Abitur zog es Lierenfeld in den öffentlichen Dienst. Ausbildung bei der Stadt Meerbusch mit dualem Studium, danach zum Rhein-Kreis Neuss, wo er am Ende Teamleiter im Jobcenter war. Seit dem 23. Juni 2014 ist das Mitglied einer Großfamilie mit vier Geschwistern sowie vielen Nichten und Neffen der Erste Bürger der Stadt Dormagen. Schon vorher hatte er sich zweimal um einen Kandidatur für den Landtag beworben (2010 und 2012), konnte sich aber parteiintern nicht durchsetzen. Zur Politik kam Lierenfeld schon zu Schulzeiten: „Ich wollte mit einem Freund aus dem SoWi-Unterricht eine eigene Partei gründen. Das war vor der Kommunalwahl 2004 aber zu knapp, wir hätten die notwendigen Unterstützerunterschriften nicht mehr rechtzeitig zusammen bekommen.“ Stattdessen befasste er sich mit den verschiedenen Wahlprogrammen der Parteien vor Ort und fühlte sich von dem der Sozialdemokraten am meisten angesprochen. Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sind für Lierenfeld noch heute bestimmende Leitplanken. Besonders wichtig sei ihm, betont er, auch das Thema „Chancengleichheit für Kinder“. Nachbarin Hilde Jendrny hatte ihm einen Aufnahmeantrag für die SPD eingeworfen, am Wahlabend – Heinz Hilgers hatte sich bei der Bürgermeisterwahl gegen Reinhard Hauschild durchgesetzt – wurde ihm im „Brauhäuschen“ das Parteibuch überreicht. Von Hilgers persönlich, der gratulierte. Wichtiger als sein Wahlsieg sei, dass die Partei einen neuen, jungen Mitstreiter habe. Bei den Kommunalwahlen im Jahr 2009 zog Lierenfeld in den Dormagener Stadtrat ein, bis 2014 fungierte er zudem als zweiter stellvertretender Bürgermeister der Stadt. Von 2013 bis 2014 war er Vorsitzender des SPD-Stadtverbandes.
Von einem „guten Elternhaus“ spricht Lierenfeld, von einer Großfamilie, bei der mittags beim Essen am Tisch auch immer noch ein paar Freunde dabei waren: „Da waren wir oft zu siebt oder zu acht. Meine Mutter hat immer reichlich gekocht und gerne alle Mann beköstigt. Das ist heute immer noch so, es gibt reichlich zu essen.“ Sein Vater war Chemielaborant im Chempark, seine Mutter zunächst Hausfrau, später dann Kassiererin. Im Jahr 2018 hat der Erste Bürger der Stadt selber eine Familie gegründet, wie er sagt. Er heiratete seine Daniala im Dezember standesamtlich, im März 2019 folgte die kirchliche Trauung. Zur Familie gehören stolze fünf Patenkinder, von denen eins in Indien lebt, also regelmäßig finanziell unterstützt wird. Die anderen vier sind realer Teil des Privatlebens des Bürgermeisters, drei mal familienintern, einmal als Verbindung zu seinem Freund Michael Dries und dessen Familie. Mit Dries verbinden Lierenfeld auch zahlreiche gemeinsame Jugendfreizeiten der evangelischen Kirchengemeinde, die vor allem in Italien, aber auch in Spanien und Kroatien stattfanden. Ein Leuchten in den Augen hat der 33-Jährige auch, wenn er über sein Hobby Theaterspielen berichtet. Sowohl an der Schule als auch im Galerie-Theater Zons war er aktiv. Aus Zeitgründen („Das Textlernen und die Proben sind schon sehr zeitintensiv.“) musste er passen, als sein Engagement in der Politik immer mehr zunahm. In seiner Kindheit hat Lierenfeld auch mal Handball gespielt. Da war ein Bruder sein Trainer: „Das war nicht die beste Konstellation.“ Zum Handball, zum TSV ins Sportcenter, geht er immer noch gerne. Ordner war er dort auch schon mal, im Fanclub hat er mitgetrommelt. Lierenfeld wie er leibt und lebt: ein Mensch, ein Bürgermeister zum Anfassen. Selten hat es einen so bürgernahen Verwaltungschef gegeben. Dabei halten ihn auch schwere Verletzungen wie sein Bandscheibenvorfall vor drei Jahren nicht ab. Nur eine Lehre hat Lierenfeld daraus gezogen: Das Holzhacken überlässt er nun immer Anderen. (Oliver Baum)