Wird der TSV zur BHC-Filiale?

Auf dem Weg, das Loch mit den fehlenden 260.000 Euro – so war es am 3. November der NGZ zu entnehmen – im Etat für die laufende Saison der Zweitliga-Handballmannschaft zu stopfen, sind die Verantwortlichen des TSV Bayer Dormagen mittlerweile ein gutes Stück weiter. Aktueller Stand: rund 210.000 Euro wurden eingenommen. Wer der Sponsor ist, dessen Zahlungsausfall zur „todernsten“ Lage (Frank Neuenhausen, Geschäftsführer des Hauptvereins) führte, ist weiter unklar. Von den vorhandenen Groß- und Trikotsponsoren auf der TSV-Homepage ist es keiner. Für Verwirrung sorgt derweil die Darstellung in der jüngsten Ausgabe von „Handball Inside“. Dort wird Handball-Geschäftsführer Björn Barthel im Artikel „Krise als Chance“ so zitiert, dass der „Etat durch den Verlust zweier Sponsoren kollabiert“ ist. Erst war es ein Großsponsor, dann ein größerer Sponsor, jetzt sind es auf einmal zwei Sponsoren, die weggebrochen sind. Was davon ist denn nun richtig?

Neben gestiegenen Kosten (beispielsweise für den neuen, DYN-tauglichen Hallenboden) hat Barthel offensichtlich vor allem erhebliche Altlasten aus den beiden vorangegangenen Spielzeiten mit in die Saison 2023/24 geschleppt. Da wurden zwölf Monate lang zwei Trainer bezahlt, von denen einer freigestellt war. Zudem wurden zwei Rückraumspieler weiter beschäftigt, die in der Rückrunde der Spielzeit 2021/22 von Barthel neu verpflichtet worden waren, um den Klassenerhalt zu schaffen. Beide gab es nach Informationen von meinDormagen in der mittelfristigen Budgetplanung nicht. Hinzu kam die dramatisch schlechte Entwicklung der Zuschauerzahlen nach den pandemiebedingten Lockdowns. Der Handball-Geschäftsführer stellte dazu einmal selber fest, dass die Erlöse aus dem Ticketverkauf der Hinrunde 2022/23 zur Aufrechterhaltung des Spielbetriebs nicht ausreichen.​

Nach dem überraschenden Sieg in Dessau mussten die Verantwortlichen, zu denen der Hauptvorstand des Gesamtvereins als „Aufsichtsgremium“ gehört, ein sechsstelliges Defizit bekannt geben. Einigkeit herrschte schon am 11. Oktober darin, dass sich nach der Rettungsaktion strukturell gravierend etwas ändern müsse. Im NGZ-Artikel „Dormagener Handball ist ,systemrelevant'“ sprach Barthel am 3. November von einer Taskforce, die den TSV auf dem Rettungsweg begleitet. Ihr gehören Jörg Föste, DHB-Vizepräsident und ehrenamtlicher Geschäftsführer des Bergischen HC (Erste Bundesliga), Rechtsanwalt Marc d’Avoine (Sanierungsexperte; ATN Anwaltskanzlei aus Wuppertal) und Peter Kluth an. Der ist Rechtsanwalt in Düsseldorf, Mitglied im BHC-Aufsichtsrat – und Spielerberater. Von einer engen Kooperation mit dem Bergischen HC war weiterhin zu lesen. Von einer perspektivisch sehr intensiven Zusammenarbeit auf allen Ebenen des Handballsports. (Kurzer Einwurf: Jan Reimer hilft beim BHC, weil sich dort ein Rechtsaußen verletzt hat; welcher BHC-Rückraumspieler hilft eigentlich beim TSV nach der Verletzung von Alexander Senden?). Eine Kooperation, die immer wieder als alternativlos dargestellt wird.

In diesen Zusammenhang ist der überraschende Rauswurf des Sportlichen Kompetenzteams vor zwei Wochen einzuordnen. Sicherlich wurden auch in dem Bereich Fehler gemacht, aber diese „Umstrukturierung“ mitten in der Hinrunde lässt tief blicken. Zumal Trainer Matthias Flohr, rein sportlich betrachtet bei weitem nicht unumstritten, der große Gewinner zu sein scheint. Sein Zwei-Jahres-Vertrag läuft am Saisonende aus. Eine Verlängerung dürfte für den neuen  Sportlichen Leiter, der für die Kaderplanung zuständig ist, nur noch reine Formsache sein.

Dem Beitrag in „Handball Inside“ ist nun zu entnehmen, dass es weit mehr als die 260.000 Euro braucht, um die Saison zu Ende spielen zu können. Dort ist von rund 400.000 Euro die Rede. Was vermutlich in der Hauptsache daran liegen dürfte, dass den Spielern und Mitarbeitern, die teilweise erheblich (von 50 bis 80 Prozent ist zu hören) auf ihr Gehalt verzichtet haben, zumindest in der ersten Jahreshälfte 2024 wieder etwas mehr oder das ganze Salär gezahlt werden soll.

In dem Magazin ist auch zu lesen, wie die enge Kooperation zwischen dem Erst- und Zweitligisten aussehen könnte. Da wird die Parallele zum „Konstrukt“ zwischen den Füchsen Berlin und dem VfL Potsdam gezogen. Doch dazu müsste sich die Gesellschafterstruktur am Höhenberg erheblich verändern. Bisher ist dort der Hauptverein, Inhaber der Lizenz, der alleinige Gesellschafter der Spielbetriebs-GmbH. Deutet man die Zeichen der Zeit richtig, dann könnte aus dem TSV so etwas wie eine BHC-Filiale werden. Ist das wirklich so alternativlos, wie es behauptet wird? Und ist es das, was sich der Normalo-Fan vorgestellt hat, als er für 249 Euro ein Rettungsticketpaket und für 30 Euro einen Rettungsregenschirm gekauft hat? Ein Blick auf die aktuelle Zuschauertabelle der Zweiten Liga könnte ein leichter Fingerzeig sein. Da rangiert Potsdam, am vergangenen Montag auf den zweiten Tabellenplatz geklettert, nur auf dem vorletzten Platz. Quo vadis, TSV? (Oliver Baum)