Überraschung auf der Versammlung der Mitglieder des CDU-Stadtverbandes Dormagen am Montagabend, 5. Oktober: Weder Parteichef Ludwig Dickers noch Fraktionschef Kai Weber hatten eine auch nur ansatzweise in die Tiefe gehende Analyse des Wahldebakels bei den jüngsten Kommunalwahlen vorzuweisen.
Nur vier Direktmandate gewonnen, im neuen Stadtrat nur noch zwölf Sitze, bei den Zweitstimmen satte 8,8 Prozent gegenüber den Kommunalwahlen 2014 verloren – Erwartungsgemäß herrschte unter den 58 Parteimitgliedern in der Kulle eine spürbare Spannung. Auf Antrag von Bernd Engwicht wurden der Rückblick auf die Kommunalwahl (TOP elf) und der Bericht des Fraktionsvorsitzenden Kai Weber (TOP sieben) einstimmig vorgezogen und mit TOP fünf, dem Bericht des Stadtverbandsvorsitzenden „zur politischen Lage“, verknüpft. Dickers sprach von „manigfaltigen Gründen“ für das schlechteste Wahlergebnis nach der kommunalen Neugliederung (1975) und seit der Gründung des CDU-Ortsverbandes Dormagen (1946): Wahlkreiszuschnitte, neues Personal und ein Wahlkampf, der „dem Stadtverband als suboptimal zugewiesen wird“. Auch die Corona-Pandemie habe eine Rolle gespielt, habe die „Präsentation im Wahlkampf erschwert“. Die CDU sei „abgestraft worden“, so der Stadtverbandsvorsitzende. Sein Vorstand habe aber darauf verzichtet, eine Gruppe zu bilden, um eine Wahlanalyse durchzuführen. Dickers kündigte vorgezogene Neuwahlen für den Parteivorstand noch in diesem Jahr an: „Ich werde mich dann nicht zur Wiederwahl stellen.“ Das habe aber nur mittelbar etwas mit dem Wahlergebnis zu tun, dazu habe er sich schon vor der Wahl entschieden.
Weber sprach von „schweren Wochen“ und einer „anstrengenden Zeit“ mit „besonderen Voraussetzungen“ (Corona). Der CDU-Wahlkampf habe erst sehr spät begonnen. „Der politische Trend in NRW hat sich im Rhein-Kreis Neuss nicht bestätigt“, sagte der Fraktionsvorsitzende mit Blick auf den Wahlausgang in Rommerskirchen, Neuss und eben auch Dormagen. Es gebe aber auch „kleine Lichtblicke“. So sei Landrat Hans-Jürgen Petrauschke in der Stichwahl im Amt bestätigt worden. Die neue Ratsfraktion sei ein „gutes Team“, habe eine „hohe Motivation“.
In der folgenden Diskussionsrunde zeigte sich Engwicht als „einer der alten Hasen hier“ enttäuscht davon, dass der Stadtverbandsvorstand „heute nicht sagt, was gut und was schlecht war“. Anfang Juni habe in der Stadtverbandsversammlung noch große Euphorie geherrscht. Weber habe als Ziel 18 Sitze im neuen Stadtrat und das Erreichen der Stichwahl um das Bürgermeisteramt skandiert. „Wir haben statt dessen sechs Sitze im Stadtrat verloren. Lag das vielleicht an unserem harmonischen Wahlkampf?“, so der ehemalige langjährige Schulausschussvorsitzende. Jetzt stünden fünf Jahre harte Oppositionsarbeit bevor, da „müssen sich unsere jungen Leute zeigen“. Das tat dann auch Dr. Michael Conrad, der in den neuen Stadtrat einzieht und seine Bereitschaft erklärte, bei der nächsten Mitgliederversammlung noch in diesem Jahr als Parteichef zu kandidieren: „Dort werde ich mein Team vorstellen und um ihr Vertrauen werben.“
Dr. Norbert Sijben hinterfragte, ob die CDU abgesehen von dem schlechten Wahlkampf nicht auch in der Ratsarbeit die falschen Themen besetzt habe. Dickers konstatierte, dass sicherlich auch eine Rolle gespielt habe, dass die CDU in die Große Koalition gegangen sei, diese aber ein Jahr vor den Wahlen verlassen habe. Frank Dahmen kritisierte, dass im Wahlkampf keine eigenen Akzente gesetzt worden seien: „Die Politik, die die CDU gemacht hat, hat doch niemand wahrgenommen.“ Der Bürgermeister und die SPD würden sich den Themen, die vor Ort anstehen, annehmen, sich darum kümmern. „Die CDU muss endlich wieder ran an die Leute“, forderte der Delhovener Regimentschef. Matthias Böning kritisierte, dass die CDU im Wahlkampf nicht „das große Verwaltungsversagen“ auf dem Bausektor ausgenutzt habe. Der Wahlkampfslogan „Ärmel hoch und ran!“ sei gut gewesen. „Aber so wirkt die CDU hier nicht. Für was genau steht die CDU in Dormagen?“, so Böning. Es gelte gute Ideen aus anderen Kommunen zu übernehmen, ein Prozess zur Erarbeitung eines neuen Konzeptes sei dringend erforderlich. (Oliver Baum)