Das Kreismuseum hütet einen echten antiken Schatz, den einige Geheimnisse umgeben. Über den Ausstellungsstücken im Obergeschoss an der Schloßstraße thront es – ein ganz besonderes Kunstwerk aus dem Jahre 1652. Es handelt sich dabei um eine Stuckbalkendecke, die in drei Bildabschnitten die Mariengeschichte darstellt. „Wir haben hier so oft Besucher, die die Stuckdecke gar nicht wahrnehmen und die Ausstellung anschauen, ohne sie zu bemerken“, erzählt Museumsleiterin Anna Karina Hahn. Dabei ist das trapezförmige Kunstwerk alles andere als klein. Die Seiten messen vier Meter, 5,30 Meter, 8,90 Meter und 8,50 Meter. Zudem ist eine Besonderheit, dass die Figuren sehr detailgenau und teilweise sogar 3D herausgearbeitet wurden.
Aber wer hat sich damals so eine Mühe gemacht, „über Kopf“ dieses Abbild zu schaffen? „Es waren mehrere Arbeiter, die zusammen mit dem Stuckateurmeister in ihrer Werkstatt in nur ein bis drei Monaten die Decke anfertigten und die Figuren frei modellierten“, klärt Hahn auf. Diese Angaben basierten nur auf Indizien, anhand dieser Dr. Barbara Rinn-Kupka die „Stuckforschung“ betrieb und mit vielen anderen Mitwirkenden ein Informationsheft über dieses Werk des 17. Jahrhunderts erstellte. Ursprünglich hing die Stuckbalkendecke in einem Gebäude in Emmerich. Sie gilt als „herausragendes Beispiel der Stuckateurkunst des 17. Jahrhunderts und ohne Vergleich am Niederrhein und den Niederlanden“. Erst 1974 wurde sie aufwendig und in 22 Einzelteile zerlegt in die ehemalige Zollfeste transloziert. Die biblische Weihnachtsgeschichte der Geburt Jesu ist den meisten bekannt. In den großen Abbildungen, die durch verzierte Balken getrennt sind, werden drei Szenen daraus aufgegriffen: die Verkündung des Engels von der unbefleckten Empfängnis Marias, die Anbetung durch die Hirten sowie die der Heiligen drei Könige an der Krippe des neugeborenen Jesuskindes. Doch hinter all den Abbildungen mit ihren vordergründigen Bedeutungen versteckt sich weit mehr. Aufgrund der chonologischen Abfolge könnte der Betrachter meinen, das Segment von Jesus Geburt, also das letzte, sei das entscheidende. Doch tatsächlich stellt das mittlere das Zentrum des Kunstwerks dar. Darauf ist zwar in erster Linie die Anbetung der Hirten zu sehen, doch mehrere Indizien lassen eine andere Deutung zu. „Höchstwahrscheinlich war es die Zunft der Wollweber, die die Stuckbalkendecke in Auftrag gegeben hatte“, sagt Hahn. Was spricht dafür? Zum einen ist die Hirtenschaufel umringt von Füllhörnen gleich zweimal zu sehen, welche ein Hinweis auf die Wollweber sind. Zum anderen war es eine äußerst kostspielige Angelegenheit, eine solche Stuckbalkendecke anfertigen zu lassen. Neben der Arbeit ist wohl auch das Material besonders teuer gewesen. Denn für die Anmischung wurde neben Kalk, Sand und anderen Zuaten auch Rehhaar verwendet. Rehe waren zu dieser Zeit allerdings nur jagbares Wild des Adels und aus diesem Grund höchst kostbar. Neben dem künstlerischen und materiellen Wert, welchen das Kunstwerk auf so unterschiedliche Weise ausstrahlt, ist aber dennoch über dem mittleren Bild die schiefe Blumenvase zu sehen. Ein typisches Symbol aus dieser Epoche für Vergänglichkeit von Ruhm und Reichtum. „In dieser Zeit ist nichts zufällig abgebildet worden“, meint die Museumsleiterin. Wer sich die Stuckbalkendecke ansehen möchte, hat dazu immer zu den Öffnungszeiten des Kreismuseums die Gelegenheit. Diese sind immer dienstags bis freitags von 14 bis 18 Uhr sowie samstags, sonn- und feiertags von 11 bis 18 Uhr (Winterpause bis 18. Januar 2019). Es stehen zwei Liegesessel bereit, die einen optimalen Blick auf das Gesamtkunstwerk erlauben. (Joëlle von Hagen)