Berlin und Dormagen können im Angesicht einer Großen Koalition (GroKo) ganz nah beieinander sein. Berlin am vergangenen Sonntag: Die SPD stellt ihre neuen Pläne für den Sozialstaat vor. Die CDU weist darauf hin, dass diese Pläne nicht vom Koalitionsvertrag gedeckt seien. Die SPD sei wohl dabei, in den Ausstieg aus der GroKo einzusteigen. Dormagen am vergangenen Freitag: Die CDU verkündet, sie habe die Kämmerin gebeten zu prüfen, wie es sich auf den Haushalt auswirkt, wenn Dormagen ein weiteres Ü3-Jahr in der Kita elternbeitragsfrei stellt. Die SPD zeigt sich irritiert. Die CDU halte sich nicht an Verabredungen. Die bisher vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner müsse wiederhergestellt werden.
Der politische Beobachter reibt sich verwundert die Augen, denn am vergangenen Sonntag erklärte Bürgermeister Erik Lierenfeld (SPD) beim städtischen Neujahrsempfang: „Eine der Ideen, die mir wirklich am Herzen liegt, ist die der kostenlosen Bildung auch in Kita und OGS, die ich mir für Dormagen wünsche.“ Es gehe darum, die Eltern in Zukunft stärker zu entlasten. „Ich setze mich deshalb für eine weitere Reduzierung der Elternbeiträge ein.“ Das klingt nun nicht nach Koalitionsdissens, das klingt nach Konsens pur. Noch verwundeter reibt sich der politische Beobachter die Augen, wenn er in die Niederschrift der Sitzung des Jugendhilfeausschusses vom 22. November 2018 schaut. Dort steht: „Deußen (gemeint ist Jo Deußen, Vorsitzender des Ausschusses) stellt noch einmal den Konsens unter den Ausschussmitgliedern fest, nach dem eine pauschale Senkung aller Elternbeiträge in allen Tagesbetreuungsformen für Kinder (KiTa, OGS, Tagespflege) gewünscht ist, die zusammengenommen etwa eine Summe in Höhe von 600.000 € an Mindereinnahmen pro Jahr bedeuten wird. Details zur weiteren Ausformung der Entlastungshöhen werden in der März-Sitzung des nächsten Jahres beschlossen.“
Warum kritisiert die SPD etwas, was in der Zielsetzung Konsens mit der CDU ist und was vom SPD-Bürgermeister genauso gewünscht wird wie vom CDU-Sozialexperten? Ist vielleicht der knappe zeitliche Vorsprung der CDU-Pressemitteilung, die zwei Tage vor dem Neujahrsempfang veröffentlicht wurde, Stein des Anstoßes? Oder geht es nur um die Idee zu einem Prüfauftrag, der erst mal nichts weiter ist als ein Prüfauftrag, die die SPD gerne selber gehabt hätte? Aus Sicht der Kinder über drei Jahren (Ü3) und deren Eltern, um die es in der Sache geht, kann dies dahingestellt bleiben, denn der eingeschlagene Weg ist klar und die Zielsetzung offenbar auch jenseits der GroKo weitgehend politischer Konsens.
„Im vergangenen Jahr haben wir in den Haushaltsberatungen eine Senkung der Elternbeiträge um 600.000 € beschlossen. Wir würden dieses Geld gerne in ein weiteres beitragsfreies Jahr investieren und so den Besuch der Regelkindergartenzeit in Dormagen für die Eltern ganz kostenfrei gestalten“, skizzierte Deußen in der Pressemitteilung den neuen Ansatz. Die CDU beschreite damit einen anderen Weg als in den bisherigen Diskussionen. Anlass dafür: Die schwarz-gelbe Landesregierung hat Anfang Januar die Weichen dafür gestellt, dass ab 2020 das zweite Kita-Jahr – genau wie das dritte – landesweit beitragsfrei gestellt wird. Die CDU geht mit ihrem Prüfauftrag nun noch einen Schritt weiter, um auch für das erste Ü3-Jahr in Dormagen die Elternbeiträge zu streichen, wenn es denn die Haushaltslage hergibt. Die SPD hatte sich für eine Entlastung unterschiedlicher Einkommensgruppen in unterschiedlichem Maße ausgesprochen. Über den weiteren Weg und das gemeinsame Ziel berät der Jugendhilfeausschuss in öffentlicher Sitzung am Donnerstag, 7. März, ab 17.30 Uhr im Ratssaal. (Oliver Baum)