Quo vadis, CDU?

Selten ist ein exklusiver Artikel auf meinDormagen so viral gegangen, wie der gestrige „Paukenschlag in CDU-Fraktion“. Er wurde auch kommentiert – und das, wenig verwunderlich, von Dormagenern, die für die CDU vor Ort aktiv sind oder waren.

So trat der ehemalige Fraktionsvorsitzende Kai Weber in philosophischer Anwandlung auf, indem er „der Entfaltung des Geschehens“ eine „bemerkenswerte Dynamik“ zuschrieb. Willi Beivers meldete sich sogar aus dem Urlaub zu Wort und befand, dass es in der Fraktion, deren Amtszeit Ende Oktober auslief, „Streitpunkte nur im Zusammenhang mit der Stadtverbandsvorsitzenden gab“. Gemeint ist Anissa Saysay, die seit Montagabend genau wie Dieter Hartig und Peter-Olaf Hoffmann zwar noch ein Ratsmandat der CDU hat, aber nicht mehr im Fraktionsvorstand ist. Laut Beivers sei es offensichtlich, dass „mit dem Rückzug der alten Fraktion die Spaltung kein Ende nimmt.“ Dieter Leuffen warf Hartig vor, dieser solle „den Mund nicht so voll nehmen“ und begründete dies mit dem schlechten Abschneiden in den Wahlkreisen des CDU-Ortsverbandes Dormagen bei der Kommunalwahl. Wenn Hartig als einer der führenden Politiker in diesem Ortsverband nun seine Wahl zum Fraktionschef nicht annehme, bemerkte Leuffen, dann „ist das nur konsequent“.

Nun wundert einen bei dieser CDU Dormagen schon seit einigen Jahren nichts mehr. Unsere Redaktion hat gestern und heute viele direkte Reaktionen bekommen – per WhatsApp und in persönlichen Gesprächen. Die meisten davon haben eins gemeinsam: das Kopfschütteln und die Verwunderung darüber, dass das Hauen und Stechen kein Ende nehmen will. Während die einen darauf hoffen, dass die ehemalige Bürgermeisterkandidatin nun endlich die politische Bühne verlassen werde, sind sich andere sicher, dass ihr Ego zu groß sei, um sich von allen Ämtern zu verabschieden und so einen erneuten Neuanfang zu ermöglichen. Einen derartigen Neustart hatte Saysay übrigens im Oktober 2021 medienwirksam für die Landes- und Bundesebene gefordert. Das Motto: „Mit alten Köpfen kein Neuanfang“. Wie das mit der Besetzung des CDU-Fraktionsvorstandes im Oktober vereinbar ist, ist eine weitere offene Flanke in einer politisch und persönlich problematischen Lage.

Eine weitere Fraktionssitzung am Montag, 17. November, soll es nun irgendwie richten, bevor drei Tage später der neue Dormagener Stadtrat zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommt. Reichlich wenig Zeit, um dann noch in ein erstes Gespräch mit dem Bürgermeister und der SPD-Fraktionsspitze einzutreten, um eine mögliche politische Kooperation auszuloten. Wobei: Erste Gespräche dazu hat es ja schon gegeben, aber in ganz kleinem Kreis. Was für Stilblüten das in diesen Zeiten so treiben kann, zeigt ein Kommentar dazu in einer Facebook-Gruppe: Da wird Erik Lierenfeld offen dafür kritisiert, dass er diese Gespräche mit frisch gebackenen Mitgliedern der CDU-Fraktion noch vor der Stichwahl um das Bürgermeisteramt selber lanciert habe. Den Steilschuss dafür lieferte Hoffmann, der von einem durch die SPD bewusst in der CDU platziertem „U-Boot“ sprach. Bleibt man in diesem Bild, seine Richtigkeit bleibt dabei außen vor, dann ist dieses U-Boot am Montagabend aufgetaucht – und hat, ohne ein einziges Torpedo abzuschießen, für erheblichen Schaden gesorgt.

Das kann die CDU vor Ort aber auch alleine sehr gut – also für eigene Beschädigungen sorgen. Nur eines ist gewiss: Es bleibt spannend. Auch bei den drängenden Sachthemen in Dormagen. Doch wie so oft in der Politik, stehen diese gerade mal wieder unter ferner liefen. Politik dreht sich einfach zu gerne nur um sich selbst. (Oliver Baum)

Update um 18.15 Uhr: Hartig hat heute auf sein Ratsmandat verzichtet. „Das macht keinen Sinn mehr“, sagte er unserer Redaktion vor wenigen Minuten.