Es geht nur zusammen

Hand aufs Herz: Wer hätte vor dieser Saison in der Zweiten Handball-Bundesliga gedacht, dass der TSV Bayer Dormagen mit diesem Kader nach dem 34. Spieltag mit zwei Punkten Vorsprung und mit einem einigermaßen passablen Torverhältnis von minus 45 (von den fünf Mannschaften dahinter ist nur Großwallstadt mit minus 32 besser) vor der Abstiegszone stehen würde? Alle Experten wähnten den Aufsteiger im Kampf um den Klassenerhalt mehr oder weniger chancenlos. Doch vier Spieltage vor dem Saisonende hat es der TSV selber in der Hand, in der nächsten Saison weiter in der Zweiten Liga zu spielen. Aus den Partien beim Tabellendrittletzten in Dessau, gegen Rimpar, beim Aufstiegsanwärter Nordhorn und gegen den Tabellenletzten aus Düsseldorf werden wohl vier Zähler reichen, um das große Saisonziel „Klassenerhalt“ aus eigener Kraft zu erreichen.

Doch genau das ist eine gefährliche Münze mit zwei Seiten, wie das jüngste Heim(end)spiel gegen Elbflorenz, ein Sieg wäre mehr als die halbe Miete für den Klassenerhalt gewesen, frustrierend deutlich gezeigt hat. Denn die „eigene Kraft“, die hätte auch schon in Hagen reichen müssen, um dort zu gewinnen (in der entscheidenden Phase zu viele freie Würfe vergeben), die hätte auch schon in Hamm reichen müssen, um dort mindestens einen Punkt mitzunehmen (Fehlpass kurz vor Schluss) und die hätte auch gegen Dresden noch für einen Punkt reichen können (Fehlpass kurz vor Schluss). Die Liste der Spiele, in denen der TSV in der Hin- und in der Rückrunde unnötig Punkte hat liegen lassen, ist lang. Doch jetzt, in der entscheidenden Saisonphase ist das Ganze vor allem eine Sache der Erfahrung und der mentalen Stärke. Beides haben die Dormagener offensichtlich nur wenig. Und wenn schon die erfahrenen Spieler wie Sven Bartmann (unnötiger zu später Wurf aufs vermeintlich noch leere gegnerische Tor bei 14:11) und Daniel Eggert (Fehlpass etwa 15 Sekunden vor Spielende ins Aus!) in wichtigen Situationen Fehler machen, dann wird die Prognose für den Saisonendspurt schwer.

Schon in der Vorsaison in der Dritten Liga-West, als dem TSV als Tabellenzweitem am Ende aufgrund der ausgefallenen Relegation gegen Altenholz der Aufstieg quasi auf dem Silbertablett serviert wurde, gab es große Probleme in den Spielen, in denen es um die berühmt-berüchtigte Wurst ging: Von acht Partien gegen die Spitzenteams gewannen die „Wiesel“ lediglich zwei.

Dennoch sind alle Beteiligten, insbesondere die Fans, rund um den Höhenberg gut beraten, Ruhe zu bewahren und diese junge unerfahrene Mannschaft zu unterstützen, wo es nur geht. Denn eins ist klar: Es wird nur gemeinsam gehen – auf und neben dem Spielfeld. Die Teams, die hinter dem TSV stehen, haben an den beiden vergangenen Spieltagen ihre Hausaufgaben ebenfalls so gut wie nicht gemacht. Sehr schade und extrem bitter, dass die Rheinländer das nicht auszunutzen wussten. Verloren ist deswegen noch nichts. Es gibt immer noch viel zu gewinnen: den Klassenerhalt, der sportlich in etwa einem Wunder gleich käme. (Oliver Baum)